Erfahren Sie, was der richtige Ansatz zur Software-Auswahl fĂĽr Unternehmen ist und welche Fehler man dabei vermeiden soll
Wir spulen 15 Jahre zurück. 2006. Ein DAX Konzern. Bereich IT. Workflow Management Systeme liegen groß im Trend. Ihr Versprechen: Beliebige Geschäftsprozesse automatisieren, ohne Programmieraufwand, sondern durch Konfiguration. Die Meinung ist schnell gebildet: Ein solches System soll eingeführt werden, die Vorteile liegen auf der Hand. Eine erste Excel-Kalkulation ergibt: Bei 100 abgebildeten Prozessen amortisiert sich die Software in weniger als 3 Jahren. Die Investition wird genehmigt. Ein Verantwortlicher wird definiert, ein Projektteam gegründet. Erstes Etappenziel: Das beste WMS evaluieren. Die Recherche beginnt. Was gibt es bei SAP, IDS, Oracle, IBM und Co.? Was nutzt die Konkurrenz? Was brauchen wir unbedingt? Die Kern Funktionalitäten werden 1:1 als Anforderungen übernommen: „Prozesse müssen mittels BPMN modelliert werden können, es braucht Freigabeprozesse, Versionierung, …“ Das Anforderungs-Excel erreicht schnell 100 Zeilen. Unternehmensbereiche, die von der Software profitieren sollen, werden definiert. HR macht Sinn. Vom Urlaubsantrag bis zur Einkleidung der Mitarbeiter in der Produktion wimmelt es nur so von Prozessen, die man mal automatisieren sollte. Die Software wird ausgeschrieben. Führende Softwarehersteller bieten an und demonstrieren die Stärken ihrer Software. Das Gremium aus IT-Leitung und Projektteam entscheidet und eine Software wird ausgewählt. Die Software wird gekauft, on-premise installiert, dazu ein Servicevertrag abgeschlossen. Das Projekt beginnt. Schnell stößt man auf neue Herausforderungen. Mitarbeiter in der Produktion haben weder eine Unternehmens-E-Mail-Adresse noch einen Rechner-Zugang. Der Arbeitskleidungs-Bestellprozess kann also nicht komplett automatisiert werden, auch Urlaubsanträge sind damit nur für die Büroangestellten umsetzbar. Vor allem hakt es an einer intuitiven Benutzeroberfläche mit Formularen, denn die Software deckt hauptsächlich die Prozess-Seite ab. Das Projekt verzögert sich, wird später neu aufgesetzt. Am Beispiel des Bestellprozesses für neue Hardware geht die Software schließlich live. Ein größerer Rollout gelingt danach nicht. Das Projekt wird beendet und die Software in die Linienverantwortung in der IT übergeben.
Der geschilderte Prozess stellt für sich keine absolute Ausnahme dar. Jahrelang, und auch heute wählen Unternehmen so, oder so ähnlich, Software aus. Die Kritik richtet sich also nicht auf einen einzelnen Aspekt im Beispiel, sondern auf das große Ganze, den Prozess der Software-Auswahl. Die plumpe Frage lautet: „Muss man das denn so machen?“ und konsequenterweise anschließend: „Geht das nicht besser, irgendwie „moderner"?“ oder eben ganz grundsätzlich: „Wie wählt man in 2021 Software für sein Geschäft aus?“
Zugegeben, als Unternehmensberater oder Dienstleister ist man oft versucht aus dem Thema Software-Evaluation eine kleine Wissenschaft zu veranstalten, um zunächst das eigene Mandat zu sichern. Sinnvoll für den Kunden ist das meist nicht. Ob man eine Softwareauswahl richtig angeht oder in die typischen Fettnäpfchen tritt, kann man entlang von 5 simplen Beispielen testen. Tony Byrne, Gründer der Realstorygroup, einem Analysten für Marketing-Software, fasste die 5 Symptomatiken der Softwareauswahl so zusammen (1):
Und, haben Sie sich ertappt? Der Checklist-Fetisch wird als am schlimmsten gesehen, da er eben jene wissenschaftliche Korrektheit suggeriert, allerdings meist wenig Aussagekraft hat. Oder würden Sie folgen, wenn ihnen Ihr Berater sagt: „Das Content Management System A hat 94,5% der Punkte geholt und System B nur 88,7%. Wir nehmen also klar A.“ Die Frage lautet also: Wenn das alles nicht sinnvoll ist, „Wie sollte man heute (die richtige) Software richtig auswählen?“
Vorweg die übliche Einschränkung. Eine pauschale Antwort ist nicht möglich, bzw. sinnvoll. Zu unterschiedlich sind Software-Typen, Unternehmensgrößen, und der Kontext. Das heißt ein ERP wähl man anders aus als eine Software für Newsletter-Marketing, oder börsennotierte Konzerne sind an andere Richtlinien gebunden als Startups, und Software die Kernprozesse wie z.B. Order Management abbilden muss man gänzlich anders bewerten, wenn man als Unternehmen aktuell eine D2C Strategie verfolgt. Der vereinende, und wohl entscheidende Erfolgsfaktor der Softwareauswahl ist jedoch – oh Wunder – die Nutzer.
Software wird für Anwender ausgewählt und deren „User Stories“ sollten konsequenterweise möglichst umfassend abgedeckt werden. Spätestens nach Einführung führt dies zu erhöhter Akzeptanz der Software, folglich zur Nutzung und somit zum Erfolg. Wie beschrieben dominieren unserer Erfahrung nach allerdings nach wie vor Excel Tabellen den Softwareauswahlprozess. Wie rückt man also die Software-Anwender in den Mittelpunkt?
Unserer Empfehlung ist zunächst klar in 2 Dimensionen zu trennen:
Insbesondere fĂĽr funktionale Anforderungen haben sich der agilen Philosophie folgend sogenannte User Stories durchgesetzt. Man schreibt heute also z.B. nicht mehr:
Somit wird das pure „feature request“ um die Anwenderin, deren Kontext und eine Argumentation erweitert. Aber egal ob Excel-Liste oder User Stories: Wenn Unternehmen letztlich Anforderungen an Software-Hersteller senden, ist das Ergebnis oft eintönig einsilbig: „Ja“, „voll erfüllt“, oder „out oft he box“ heißt es dann. Und man kann den Software-Herstellern keinen Vorwurf machen, schließlich beantworten sie ja nur die Ausschreibung. Wir bei Merkle empfehlen unseren Kunden daher stets User Stories zu längeren Narrativen zusammenzuführen und anschließend die Frage zu stellen: „Wie gelingt dieses Szenario mit der Software?“ Ein Beispiel aus dem Bereich eCommerce und Digital Marketing zeigt dies anschaulich.
Auf das illustrierte Szenario des Product-Launch kann man nicht mit einem simplen „ja“ antworten, sondern mit einer auf den Kunden ausgerichteten Demo. Die Bewertung derselben sollte später konsequenterweise ebenso unter Einbezug der Anwender, also hier mindestens Paulina und Christoph, erfolgen. Mittels einfacher Scoring-Mechanismen, z.B. einer 5 Sterne Skala, lässt sich hier unserer Meinung nach das beste Ergebnis erzielen.
Nicht-Funktionale Anforderungen sollten insbesondere als „Scope and Boundaries“ verstanden werden. Das heißt sie sind bestenfalls alle als Muss-Anforderungen zu verstehen, bzw. definieren Kontext und Rahmen, und sind nicht nochmals von verschiedenen Seiten bewertbar. Von der ISO-Norm die erfüllt werden muss, zu einem maximalen jährlichen Preis für den Betrieb, den Sicherheits-Anforderungen, bis zur Barrierefreiheit in der Benutzung: Nicht Funktionale Anforderungen können durch Workshops mit den richtigen Anwender- und Anspruchsgruppen, meist IT, Business und Legal, vorab erhoben werden. Hier darf man gerne in der Dokumentation auf das beliebte Excel zurückgreifen.
Ein entscheidender Aspekt fehlt jedoch noch im modernen Software-Auswahlprozess. Wie weiss man heutzutage, ob man überhaupt die richtige Software sucht? Im Bereich Digital Business wird seit knapp 10 Jahren die Technologie Super-Landkarte von Chiefmartech.com (2) bemüht um die Vielfalt an möglicher Technologie aufzuzeigen. Hierüber, sowie über die einschlägigen Reports der Analysten von Gartner und Forrster (3) gelingt auch rasch eine erste Einschätzung, ob man in der richtigen Software-Kategorie sucht. Jedoch verschwimmen die Grenzen zunehmend. eCommerce Lösungen bieten Möglichkeiten eines CMS, CMS die eines DAMs, DAMs die eines IAMs, alle bezeichnen sich selbst auch als DXP, usw. Um auf die passende verlängerte Shortlist der richtigen Software zu kommen, muss man also oft lange recherchieren.
Ein „Silver Bullet“ für diese Recherche ist die kürzlich von OMR gestartete Plattform OMR Reviews (4). Hier stehen die Anwender der Software im Fokus, und bewerten offen und direkt was ihnen gefällt und an welchen Stellen sie Verbesserungspotenziale sehen. Hier wird die Landkarte von Chiefmartech abgebildet, allerdings inklusive der Bewertungen durch die Anwender. Wir als Merkle freuen uns hier mit OMR zusammenarbeiten zu dürfen und bewerten ebenfalls seit diesem Sommer fleißig mit, insb. Software die wir selbst als Anwender sehr gut kennen, z.B. wenn wir für Kunden in der Conversion Optimierung tätig sind oder in Designprozessen für digitale Produkte mit unseren Kunden zusammenarbeiten.
Es ist nun an der Zeit ein Fazit aus den diskutierten Punkten zu ziehen. Wie wählt man also in 2021 (die richtige) Software richtig aus? Ein zusammenfassender Leitgedanke hierzu lautet: „Gute Software-Auswahl-Prozesse ähneln guten Software-Entwicklungs-Prozessen“. Da man hier falsch abbiegen könnte nochmals klargestellt: In guten Software-Entwicklungs-Prozessen stehen die späteren Anwender im Zentrum. Durch diverse Projekte, in denen wir Kunden in der Softwareauswahl unterstützen durften, empfehlen wir ein 5 Schritte Modell, in dem Sie pro Schritt Ihre direkten Leitfragen und Aufgaben finden. Dies fasst die wichtigsten genannten Punkte nochmals in kurzer Form zusammen und dient Ihnen hoffentlich als Checkliste für Ihre nächste Software-Auswahl.
Der Werbeblock zum Schluss: Wie sie hoffentlich wissen, kann Merkle Sie nicht nur in der Software-Auswahl unterstützen, sondern in der kompletten digitalen Wertschöpfungskette. Von der Digitalstrategie, der Datenstrategie, über Konzeption und Design, bis zur Software-Konfiguration, Integration und Implementierung: Scheuen Sie sich nicht mit uns Kontakt aufzunehmen, wenn Sie Unterstützung in der Auswahl oder Implementierung Ihrer Software benötigen. Meine Kollegen und ich freuen uns auf Ihre Anfragen.
Quellen: